Missachtung des Votums des Verwaltungsausschusses – Stadt zieht sich von Facebook zurück

Die Fraktionen von CDU, FDP und Die Grünen üben scharfe Kritik am Umgang des Bürgermeisters mit den Voten der Bürgerschaft und deren Ausschüssen. Nach der Löschung der beliebten und etablierten Facebook-Seite der Hansestadt Wismar zieht eine willkürlich scheinende Aktion der Wismarer Stadtverwaltung auch die Löschung weiterer Seiten im Sozialen Netzwerk “Facebook” mit sich, unter anderem auch der Seiten der Stadtbibliothek sowie der Tourist-Info. Die Diskussion zu den Facebook-Auftritten der Hansestadt Wismar läuft schon seit mehreren Monaten. Nun setzte sich der Bürgermeister über die Bürgerschaft bzw. den zuständigen Verwaltungsausschuss hinweg und lässt aus datenschutzrechtlichen Gründen, wie es heißt, alle Facebook-Auftritte der Wismarer Verwaltung löschen. Das Votum des Verwaltungsausschusses war nach langen intensiven Beratungen hingegen ein anderes.
„Mit Verlaub, es ist doch unglaublich, dass sich der Bürgermeister nach einer so langen und intensiven Diskussion über das Votum des zuständigen Ausschusses hinwegsetzt und in einer Art „Basta-Mentalität“ Tatsachen schafft. Sich jetzt hinter der Aussage zu verstecken, der Ausschuss hat nur beratenden Charakter verdeutlicht, wie viel Wert in diesem Falle auf die ehrenamtliche Arbeit der Ausschussmitglieder gelegt wird. Die Reaktionen bei Facebook zeigen vor allem eins, Unverständnis der Nutzer und Bedauern über diese Entscheidung,“ so Tom Brüggert, CDU-Fraktion.
Zur Frage des Datenschutzes bleibt anzumerken, dass Städte in der ganzen Bundesrepublik Facebook nutzen, auch die Bundesregierung, die Staatskanzlei M-V usw. „Diese Datenschutzbedenken sind schon deswegen fadenscheinig, weil andere Angebote wie Instagram laut Landesdatenschutzbeauftragtem mindestens dieselben Datenschutzbedenken auslösen müssten wie Facebook und demzufolge konsequenterweise auch gelöscht werden müssten“ ergänzt René Fuhrwerk, Bündnis 90/ Die Grünen.
Für René Domke, Fraktion Liberale Liste-FDP, stellt sich die Frage, warum zunächst eine Stelle geschaffen wird, um Social Media zu bedienen, sich die Stadt dann aus den Social Media zurückzieht und durch eine PPush-App ersetzt. „Es ist absolut nicht einleuchtend, dass erst eine zusätzliche Stelle eingerichtet wird, dann festgestellt wird, der hohe Aufwand sei nicht zu leisten und nun eine App angeboten wird, die über Verlinkungen bedient werden kann und auf der keine Interaktion möglich ist. Sowohl das Angebot der neuen App als auch der damit verbundene Aufwand sind überhaupt nicht vergleichbar mit Facebook. Wie spiegelt sich dies in der geschaffenen zusätzlichen Stelle überhaupt wider? Oder fürchtet man nicht eigentlich den zugegeben auch mal rauen Ton der Facebook-Nutzer, auf den man nicht mehr reagieren möchte?“
Alle drei Fraktionen sehen, dass die Hansestadt Wismar hier eine wichtige Chance vergibt und wir uns einer sehr guten Marketingmöglichkeit sowie einer guten und niederschwelligen Möglichkeit der Bürger für Nachfragen, Lob und Kritik berauben. Die präsentierten Inhalte der verschiedenen Facebook-Seiten, solange diese gepflegt wurden, trafen immer auf große Zustimmung und Gefallen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Auch aus diesem Grund sprachen und sprechen wir uns weiterhin gegen eine Löschung dieser Seiten aus.


Hintergrund:
Im September 2015 hatte die CDU-Fraktion einen Antrag (VO/2015/1488) in die Bürgerschaft eingebracht, mit dem die Verwaltung beauftragt wurde, eine offizielle Facebook-Seite der Hansestadt Wismar einzurichten, welches das bestehende Informationsangebot ergänzen sollte. Die Social-Media-Plattform hat sich seit Jahren als zentrales Medium einer Möglichkeit zum Informations- und Meinungsaustausch etabliert. Im September 2015 wurde die Seite offiziell online geschaltet und bereits im Januar 2016 erfreute sie sich zunehmender Beliebtheit und verzeichnete bereits am 28.01.2016 über 500 „Gefällt Mir“-Angaben, welche sich zuletzt auf mehrere tausend Follower ausweitete. Im Bericht/Antwort der Verwaltung (VO/2015/1488-01) heißt es weiter: „Insgesamt wird die Eröffnung des Facebook-Kanals von Verwaltungsseite positiv gesehen, der Mehraufwand liegt derzeit im vertretbaren Maß“. In der Folge wurde eine Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit/Social Media innerhalb der Verwaltung der Hansestadt geschaffen und auch besetzt.
Im September 2019 wurde der Bürgerschaft eine Vorlage (VO/2015/1488-02) unter anderem durch die zuständige Mitarbeiterin (Mitverfasserin) gefertigt, welche beabsichtigte die Facebookseite der Hansestadt Wismar zum 31.10.2019 zu löschen. Unter anderem wurden Datenschutzaspekte sowie der Facebook-Algorithmus und sinkende Nutzerzahlen als Begründung aufgeführt. Als wichtiger Grund kann jedoch auch der Aufwand und die zum Teil negativen Kommentare, mit denen man sich augenscheinlich nicht weiter beschäftigen wollte, angeführt werden. Als Alternative wurde die App “PPush” vorgeschlagen, die bis heute nicht annähernd gleiche Nutzerzahlen wie Facebook generieren konnte. Nachteil der neuen Variante ist u.a. die fehlende Möglichkeit in Interaktion zu treten, d.h. es werden lediglich einseitig Informationen verbreitet, der Nutzer bzw. Empfänger kann nicht per Kommentar wie z.B. bei Facebook reagieren.
In der Bürgerschaftssitzung im September 2019 wurde der Antrag der Verwaltung geändert beschlossen: Die Bürgerschaft beschloss, dass die Facebook-Seite nicht vor dem 31.03.2020 gelöscht werden soll. Zudem sollte im März 2020 eine erneute Beratung im Verwaltungsausschuss unter Beachtung der Nutzerzahlen erfolgen.
Die Diskussion im März 2020 wurde nach kurzer Debatte auf April 2020 verschoben – eine Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten sollte eingeholt werden. Aufgrund der einsetzenden Corona-Pandemie wurde das Thema erneut erst wieder im September 2020 im Ausschuss behandelt.
Durch den Vortrag des Datenschutzbeauftragten sowie der tiefgreifenden Diskussion wurde festgestellt: „In Anbetracht der sehr umfangreichen Thematik wurde mehrfach betont, dass zu dieser Problematik noch weiterer Beratungsbedarf, auch in den Fraktionen besteht.“ (Protokollauszug)
Die Thematik wurde nochmals in die Sitzung des Verwaltungsausschusses in den November 2020 verschoben (BA/2020/3706). Hierbei wurde klargestellt, dass die vermeintlichen Probleme und Bedenken auch auf anderen Plattformen wie z.B. Instagram bestehen würden. Die Instagram Seiten der Stadt und auch der Tourist-Info sollen jedoch weiter betrieben werden.
Die CDU-Fraktion hat in dieser Sitzung folgenden Antrag gestellt: „Der Verwaltungsausschuss beschließt, dass eine Vorlage für die Bürgerschaft durch die Verwaltung vorgelegt wird, ob die Facebook-Seite und andere Internet-Seiten der Hansestadt Wismar gelöscht werden sollen.“ Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsausschuss mit einer deutlichen Mehrheit beschlossen.
Der Bürgerschaft wurde jedoch keine entsprechende Vorlage durch die Verwaltung bzw. den Bürgermeister vorgelegt. Auf dieses Thema angesprochen, entgegnete Bürgermeister Beyer nur mit dem Hinweis darauf, dass der Ausschuss nur beratenden Charakter hätte und keine beschließende Funktion.

Gastronomie, Einzelhandel und Handwerk wirksam helfen

Die Fraktionen Liberale Liste – FDP und CDU bringen zur kommenden Bürgerschaft einen Antrag ein, nach dem die Inanspruchnahme und Wirkung der Maßnahmen zur Hilfe von Gastronomie und Einzelhandel untersucht werden soll.
Dazu äußern sich die Fraktionsvorsitzenden Tom BRÜGGERT und René DOMKE:
„Die Bürgerschaft hat im Mai fraktionsübergreifend beschlossen, dass die Verwaltung Erleichterungen für Handel und Gastronomie prüft und umsetzt. Dass diese Maßnahmen nun angesichts der anhaltenden Schließung der Gastronomie und des zweiten Lockdowns zu verlängern sind, ist nur folgerichtig. Das Aussetzen von bezahltem Parken könnte ebenfalls ein richtiger Schritt sein, wenngleich viel zu spät, wenn die Geschäfte und Restaurants schon geschlossen sind.
Allerdings war es auch an der Zeit zu hinterfragen, was überhaupt seit Mai 2020 von der Verwaltung umgesetzt wurde. Der politische Wille war, unbürokratisch und ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand beispielsweise Ausnahmen von der Sondernutzungssatzung zuzulassen. Für beide Fraktionen stellten sich Fragen, was überhaupt kommuniziert wurde an die Betroffenen, wie viele Anträge gestellt wurden, wie viele Ausnahmen erteilt wurden, wie es sich mit der Entgeltfreiheit verhält. Inzwischen liegt ein Bericht der Verwaltung vor. Es wurden nur 9 Anträge auf Erweiterung der Flächen gestellt und davon 8 positiv beschieden. Die geringe Zahl bedeutet, dass entweder das Mittel nicht tauglich war oder dass nicht alle Gastronomen und Einzelhändler davon Kenntnis hatten bzw. haben. Informiert wurde durch die Homepage der Hansestadt Wismar und auf Nachfrage. Ein proaktives Zugehen auf die Branchenverbände wäre hilfreich. Insgesamt wurden 4 Anträge auf Erlass der Gebühren abgelehnt, weitere 12 befinden sich noch in der Prüfung, ob die Hälfte erlassen werden kann.
Da sind andere Städte in dem Jahr der Gesundheitskrise, die schnell zu einer bedrohlichen Wirtschafts- und Job-Krise ausgewachsen ist, deutlich offensiver in die Hilfestellung gegangen, indem komplett auf solche Abgaben wie Sondernutzungsentgelte verzichtet wurde, indem mehr Flächen ausgewiesen wurden, um mehr Sitzplätze oder Stellfläche zu schaffen und die Beschränkungen zu kompensieren, indem auf Parkgebühren verzichtet wurde oder indem gar direkte Standorthilfen angeboten wurden. Hilfe kann aber nur Wirksamkeit entfalten, wenn sie bedarfsgerecht und unkompliziert ausgestaltet ist.
Durch die Absagen von Veranstaltungen wie Hafenfest, Schwedenfest, die Schließung von weiten Teilen dessen, was unsere Innenstadt und nicht nur diese zu einem besonderen Erlebnis machen, sind viele Branchen hart in der Existenz bedroht.
Da muss mehr kommen als Lippenbekenntnisse, da muss offensiver geworben werden, da müssen auch mal unkompliziert Sondergenehmigungen erteilt werden oder es muss von Gebühren und Entgelten Abstand genommen werden. Einer Krise dieses Ausmaßes kann nicht mit der Kleinteiligkeit unserer Bürokratie begegnet werden. Der Bürgermeister hat seit Mai die breite Rückendeckung der Bürgerschaft, alles zu unternehmen, was Einzelhandel, Gastronomie und Handwerk wie Friseure, Bäckereien usw. und deren Beschäftigte stärkt. Wir regen dringend an, die Wirtschaftsverbände stärker einzubeziehen und weitere Instrumente zu finden.“